Feedback 2008
Mit einer 5 Tage Woche gehöre ich zu den Exoten im Hamburger Taxengewerbe, leider, wie ich feststellen darf. Daher kann ich auch nur den Kopf darüber schütteln, wie besonders im Jahr 2008 immer mehr Neuwagen als Taxi auf die Straße gekommen sind. Das könnte den Eindruck vermitteln wir würden richtig Geld verdienen. Vielmehr ist es aber so, dass Unternehmer mit finanzierten Neuwagen auch am Wochenende arbeiten, damit sie über die Runden kommen. Eine 70 Stunden Woche ist dann selbstverständlich für diese Kollegen. Rechne ich realistische 2000 € fixe- und variable Kosten ohne Krankenkasse und freiwillige Rentenversicherung muss so ein Unternehmer erst mal 140 Stunden für Kosten arbeiten. Die anderen 140 Stunden arbeitet er dann für seine Krankenkasse, für seine Rente und für seine Steuern. Übrig bleiben Netto Einkommen zwischen 1000 und 1400 € . Bei den Betrieben, die mit Fahrern arbeiten, sind mittlerweile Margen von 5% die Regel. Fährt ein Taxi im Monat 10.000km macht es 10.000 € Umsatz. Dem Unternehmer bleiben davon 500 € Gewinn vor Steuern. Ich kann einem Gewerbe was so funktioniert nichts positives mehr abgewinnen. Ich spreche dem Hamburger Taxengewerbe auch nicht erst seit gestern seine Funktionsfähigkeit komplett ab.
Die verschärften Anforderungen bei der Verlängerung der Konzession durch die zuständige Behörde haben dafür gesorgt, dass im Jahr 2008 200 – 250 Taxen vom Markt verschwunden sind, und wir aktuell mit 3350 Wagen unterwegs sind. Ich habe im Vergleich zu 2007 trotzdem einen Umsatzrückgang von 2% eingefahren. Entweder sind ein paar Kunden weg geblieben, oder aber ein paar Taxen, die sonst von ihrem Besitzer allein bewegt worden sind, sind nun zusätzlich mit Personal bemannt und fahren rund um die Uhr. Der Kostendruck lässt keine eine andere Wahl.
Obwohl es manchmal ein paar Stunden gibt, wo wirklich viel zu tun ist, muss man klar sagen, dass das die Ausnahme von der Regel ist. Wie ein roter Faden zieht sich durch das ganze Jahr Woche um Woche wo kaum etwas zu tun ist. Traditionell die erste Hälfte des Januars, die Frühjahrsferien, die Feiertage inkl. Brückentage über Ostern und Pfingsten. Der Karneval in Köln, der tatsächlich dafür sorgt das wir in Hamburg weniger Umsatz machen, weil die Geschäftsleute wegbleiben bzw. gar nicht los müssen. Dann die Sommerferien mit traditioneller Ebbe in der Kasse bei den Privatleuten im September. Dann die Herbstferien und zuletzt die 10 Tage kurz vor Heiligabend bis zum Jahresende. In den 90`Jahren hatte man als Taxifahrer bis auf vielleicht 20DM das ganze Jahr fast gleiche Tageseinnahmen. Heute fährt man mit Einnahmenschwankungen von über 100% durch das Jahr.
Immerhin ist wohlwollend festzustellen, dass sich viele Großbetriebe freiwillig verkleinert haben. Immer mehr Unternehmer, die mit angestellten Fahrern arbeiten, kommen dahinter, dass man steuerehrlich dieses Geschäft auf diesen Umsatz- und Gewinnniveau nicht betreiben kann. Seit Monaten sehe ich angestellte Fahrer fleißig für die Unternehmerprüfung bei der Handelskammer lernen. Politisch sind aktuell aber keine neuen Taxenunternehmer in Hamburg gewollt, was eine Durchfallquote von 80% eindrucksvoll belegt.
Gruß C.L.
Taxispiele oder Nichts bleibt wie es war.
Neulich Freitag um 21:30. Eimsbüttel. Ein Fahrgast sollte aus einem Club abgeholt werden.
Er kam raus: „Ich heiße U. W. und möchte nach…“ Er überlegte kurz und nannte eine kleine Straße, die vom Moorfleeter Deich abgeht. „Vorher müssen wir aber noch an einer Tankstelle anhalten und Zigaretten kaufen.“ Er schnallte sich an und schlief übergangslos ein. An der Shell-Tanke Amsinckstraße war er total planlos und desorientiert. Als ich ihn weckte und brauchte einige Minuten, um sich zu fangen. „Wo sind wir hier?“ Als er wieder einstieg fragte er : „Was habe ich gesagt, wo wollte ich hin?“ Ich nannte das Ziel.
„Ja das ist gut.“ Am Ziel gab es 30,- €, obwohl die Uhr deutlich weniger auswies.
Vielleicht waren seine Hosen mit dem Stacheldraht gerade in der Reinigung?
Neulich Montag um 5:35. Eppendorf. Ein Fahrgast soll zuhause abgeholt und zum Flieger gebracht werden. Small Talk. Dann intensiver über Geld verdienen und Geschäfte machen. Dabei kam heraus womit er handelte und das die Geschäfte sehr gut liefen. Am Ziel waren 17,30 € auf der Uhr. Es gab zwei Zehner und die Worte: „Warten Sie ich hab 2,30 € klein“. Hatte er nicht. Er gab mir noch 2,50 € und bekam einen Fünfer zurück. Er untermauerte seine großzügige Geste mit den Worten: „Den Rest dürfen Sie behalten.“
Vielleicht waren seine Hosen mit dem Stacheldraht gerade aus der Reinigung zurück?
Neulich Samstag 21:00. Elmenreichstraße, ein Vater mit zwei Kindern.
Nach Eidelstedt. Angenehmes Gespräch. Dann: „Wir müssen noch bei einer Bank anhalten, ich muss noch Geld holen.“ Als wir vor der Bank standen fragte ich, ob ich den Motor laufen lassen solle, darauf er: „Gute Idee und hinterher teilen wir!“ Sein Tip war absolut angemessen. Ein Afghane, seit 1990 in Deutschland, eine feste Arbeitsstelle, zusätzlich trägt er Zeitungen aus, ist mit sich und Welt im Reinen.
Stacheldraht ist für ihn längst Geschichte.
WS