Fahrbericht Tesla Model 3 Long Range als Taxi
Eigentlich wollte ich bereits Ende 2021 eine Probefahrt mit dem Tesla Model 3 machen, da man dieses Fahrzeug durchaus häufiger in Hamburg als Taxi sehen kann. Also wurde es Zeit heraus zu finden, ob mich als Old school Dieselfahrer ein rollender Computer überzeugen könnte?
Bevor ich mich heute mit einem alten Taxi Kumpel getroffen habe, habe ich zweimal eine Email an Lukas Thiede geschrieben, die beide bis heute unbeantwortet geblieben sind. Das ist ganz schon schwach für einen New Economy Global Player.
Bei dem Tesla Taxi handelte es sich um das Long Range Modell, was mit knapp 500PS ab Werk ausgeliefert wird und in 4,4 Sekunden auf 100km/h beschleunigt. Im Innenraum gibt es eine wirklich billig anmutende Holzkonsole, einen Ipad artigen Touchscreen und ein Lederlenkrad im Mercedes AMG Design. Die veganen Ledersitze sind vollelektrisch verstellbar und bieten einen überraschend guten Sitzkomfort. Das Fahrwerk empfand ich trotz 18 Zoll Felgen als sportlich, aber keineswegs bretthart, die Bremse wird quasi gar nicht benötigt, weil die Elektromotoren beim Loslassen des Gaspedals merklich abbremsen (rekuperieren). Als äußerst gewöhnungsbedürftig empfand ich den kargen Innenraum. Während Tesla Jünger ein minimalistisches Design loben, finde ich persönlich, dass fehlende Details in keiner Relation zum durchaus üppigen Listenpreis stehen. Selbst ein Skoda wirkt da wertiger und liebevoller designt.
Erstaunt war ich über die rahmenlosen Fenster, die jedes Mal ein Stück absenken, wenn man ein- und aussteigen will, sowie einen groben Übergang zwischen dem hinteren Fenster und der deutlich längeren hinteren Tür. In der Praxis schafft der Wagen zwischen 350 und 420km, was für einen Einwagenunternehmer immer dicke reichen sollte, um auch wieder nach Hause zu kommen. Den Werbeslogan „bis zu 580km…“ kann man also getrost vergessen.
Pluspunkte sammelt der Wagen aktuell natürlich durch den unschlagbar günstigen Verbrauch. 16,5kw/h im Taxibetrieb sind wirklich in Ordnung und produzieren Stromkosten zwischen 5,20 und 10,70€ brutto auf 100km. 4000km mit dem Tesla kosten folglich 318€ brutto im Monat, ein Mercedes Diesel, der 7,5 Liter verbraucht (eher mehr) wird aktuell mit 585€ brutto im Monat betankt. Dabei muss man aber objektiv auch sagen, das niemand seriös abschätzen kann, ob Strom massiv teurer wird und Diesel möglicherweise auch mal wieder etwas preiswerter.
Mal abgesehen davon, dass kein Mensch ein Taxi braucht, was 500PS hat, selbst die Einstiegsvariante mit „nur“ 400PS ist im Hamburger Stadtverkehr gnadenlos übermotorisiert, sind die Anschaffungskosten in der Relation zur Taxiperspektive deutlich zu hoch und zudem relativ komplex.
Da Tesla 2022 bereits zweimal die Preise erhöht hat, kostet der Long Range aktuell ab 59.490€ brutto. Der Bund subventioniert den BEV mit 5000€ und Tesla gibt weitere 2500€ dazu. Bleiben 51.990€. Davon gehen 19% Mwst. ab, was 43.689€ netto entspricht. Von der Förderung der Stadt Hamburg in Höhe von 5000€ für ein Elektrotaxi reicht man 3772€ netto für die Umrüstung zur Taxi an Intax in Oldenburg weiter. Weitere 1000€ gehen an Tesla als eine Servicegebühr für die Bestellung. Mein Kollege finanziert den Wagen auf 60 Monate und zahlt inkl. Zinsen 666€ Rate im Monat.
Mein ganz persönliches Fazit sieht so aus:
In Zeiten wie diesen, die voller Krisen und Unwägbarkeiten stecken, würde ich mir definitiv kein Taxi für über 600€ pro Monat finanzieren. Und zwar weder einen neuen Diesel, noch ein Elektrofahrzeug. Nach zwei Jahren Corona quasi ohne Einnahme und den aktuell massiv steigenden Energiepreisen kann ich jeden Tag ein bisschen mehr verstehen, wieso doch recht viele Kollegen einen VW Touran fahren, oder sich jüngst einen Toyota Rav4 gekauft haben.
Grüße C.L.