Deutsche Automobilindustrie: Vom Statussymbol zum Ladenhüter
Heute wage ich mich einmal an ein hochkomplexes Thema: Die Automobilkrise in Deutschland. Ich werde das Thema jetzt nicht unter den Gesichtspunkten Verbrenner vs. Elektro beleuchten, sondern eher unter dem Aspekt „Vom Statussymbol zum Ladenhüter.“
1989 habe ich meinen Führerschein gemacht und seit 2005 verdiene ich mit meinem eigenen Taxi meine Brötchen. Von 1993 bis 2004 habe ich zudem mit diversen Motorrädern genüsslich Benzin abgefackelt. Das eigene Fahrzeug war für mich immer der Inbegriff von Freiheit und Individualität.
Die Probleme der Automobilindustrie in Deutschland sind offensichtlich, teilweise selbstverschuldet, teilweise durch politische Impulse fehlgeleitet.
1) Inflation bei Kaufpreisen, Ersatzteilen, Werkstattlöhnen.
Auffällig ist, wie massiv die Neuwagenpreise angezogen haben. Innerhalb weniger Jahre kosten eine Vielzahl von Modellen sportliche 50% mehr. Es liegt zudem die Vermutung nahe, dass der Verbrenner massiv teurer geworden ist, um den Preisabstand zum Elektofahrzeug auf dem Papier kleinzuhalten. Ein VW Touran für 50.000€. Geht’s noch, das ist doch ein Brot und Butter Fortbewegungsmittel. Oder eine E-Klasse mit 55.000€ Grundpreis als Kassengestell ohne Extras. Dafür gab es früher einen wohlfeilen W126 mit V8 unter der Haube.
Da die Deutschen gerne Neuwagen fahren (aber nicht mehr Netto in der Tasche haben), werden ihre Fahrzeuge immer kleiner und kommen auch immer öfter aus Japan oder Südkorea. Aus einem Golf wird ein Polo und daraus ein Yaris. Und wenn es richtig dumm läuft wird aus dem Yaris später mal ein Deutschlandticket. Vorbei die Zeiten wo auf einem Fiat der Aufkleber prankte „Wenn ich groß bin werde ich ein Ferrari.“
Viel besser fährt natürlich jede Privatperson mit einem guten Gebrauchtwagen. Nur leider haben die wenigsten Mitmenschen Plan von Technik, kennen keine guten freien Werkstätten und haben keinen Nerv mit ihrer Fahrgestellnummer online auf Teilesuche zu gehen. Zudem ist es schwierig 10-15K€ Cash liegen zu haben, wenn 50% der Bevölkerung keine Sparquote haben.
Und beim TÜV hat jemand offenbar auch die Order ausgegeben ganz genau hinzuschauen. Kumpel und Schwager waren zuletzt mit jeweils 1000€ Reparaturkosten dabei, um erneut die Plakette zu bekommen.
2) Du sollst nichts besitzen und wirst glücklich sein
Wir befinden uns aktuell in einer Phase der Planungsunsicherheit. Kostet Diesel demnächst 2,50€? Gibt es Fahrverbote in den Stadtzentren? Kommt der Feststoffakku mit 1000km Reichweite? Und was ist eigentlich mit grünem Wasserstoff? Wird die nächste Regierung den Umstieg wieder subventionieren? Erst heute habe ich wieder unzählige Teslas parkend in der Hochallee bewundern dürfen. Ja diese Klientel braucht unbedingt 5000€ Förderung, damit der Tesla zwischen einem Porsche Panamera und dem Jaguar Double Six steht. Aber ich schweife ab…
Vor diesem Hintergrund ist doch klar, dass die meisten Autobesitzer erst einmal abwarten. Alternativ leasen selbst Privatleute E-Fahrzeuge, weil sie Angst vor herben Wertverlusten haben.
3) Freude am Fahren
Wer kennt ihn nicht, den BMW Slogan aus dem vorigen Jahrhundert? Auch ich hatte Freude am Fahren in diesem Jahr. Ziemlich genau einmal, als ich an einem sonnigen Herbsttag die Bundesstraße Richtung Bad Segeberg befahren habe. Klönsnack mit dem Kunden, lockeres Cruisen mit 5kg Erdgas Verbrauch.
Aber sonst? Stau, rote Welle, Aggro Fahrradfahrer, Schwachmaten am Steuer ihrer Kleinwagen. Hunderte von Baustellen und Straßensperrungen, eine Radarfalle alle paar Kilometer. Autofahren in der Großstadt und besonders in Hamburg ist Dauerfrust und ein politisch kalkulierter Teil der Verkehrswende. Diese Brechstangenpolitik lehne ich ab und die Brechstange würde ich gerne anderswo einsetzen. Auf jeden Fall motiviert diese Verkehrspolitik nicht, sich für viel Geld einen Neuwagen zu kaufen.
4) Made in Germany
Es ist leider eine Tatsache, dass Kraftfahrzeuge gleichzeitig teurer und qualitativ immer schlechter werden. Erschreckend ist teilweise die Haltbarkeit so banaler Dinge wie Lichtmaschinen, Klimakompressoren, das gesamte Euro 6 Ad-Blue Geraffel bis hin zu Ledersitzen, die bereits nach wenigen Monaten der Nutzung Falten werfen.
Die Fahrzeuge sind technisch überkomplex und werden beim Kunden zu Ende entwickelt. Hauptsache die CEO Gehälter und Aktien Dividenden stimmen. Aber nicht jeder lässt sich verarschen. Also wird der Gebrauchtwagen eben länger gefahren und durchrepariert, oder der Youngtimer gehegt und gepflegt.
Besonders betrifft dieses Thema die angeblichen Premium Fahrzeuge mit dem Stern in der Haube. So haben eigentlich alle Taxikollegen mit einem W213 bereits neue Schlepphebel samt Nockenwelle bekommen. Und das bei Laufleistungen um die 180tkm. Mercedes gewährt dann 50% Kulanz und somit sind dann „nur“ knapp 2000€ fällig. Beim Vorgänger gab es Probleme mit den Steuerketten und rostenden Hinterachsen, beim Mitbewerb sind Bauteile wie Steuerketten und Turbolader gängige Verschleißteile und Reparaturen kosten richtig Kohle. Natürlich kann man sich auch gleich einen Toyota oder Hyundai kaufen, oder seinen VW Golf einfach bis zum bitteren Ende auffahren.
5)Willkommen in der Klimahölle
Bei diesem Thema geht ein tiefer Riss durch die Gesellschaft. Auf der einen Seite junge Menschen, die sich jede Nacht in den Schlaf weinen, weil übermorgen die Welt untergeht und auf der anderen Seite gut situierte Rentner, die ständig in den Urlaubsflieger steigen, sich notfalls sogar mit dem Rolli über das Flugfeld schieben lassen. Weg mit der Kohle, bevor der Euro implodiert.
Der menschengemachte Klimawandel sorgt für Selbstkasteiung von Teilen der Bevölkerung. Dort wird nicht mehr mit einem Auto geliebäugelt, sondern man bringt seine Kinder mit dem Lastenfahrrad zur Schule. Da wird auch kein Nackensteak mehr auf den Grill geworfen, sondern es gibt Tofu Bratling.
Da die Medien dieses Thema stetig am Köcheln halten, wissen viele Menschen, dass auch ein E-Fahrzeug die Welt nicht retten wird, sondern nur konsequenter Verzicht (degrowth).
Fazit:
In Zeiten wie diesen ist es unerlässlich einen kühlen Kopf zu bewahren und finanzielle Entscheidungen genau abzuwägen. Ein Stammkunde hat sich jüngst auch mit dem Fahrzeugkauf beschäftigen müssen. Obwohl gut situiert, ist es ein 24 Monate alter VW Arteon Leasing Rückläufer geworden, ein Euro6 Diesel.
Grüße C.L.